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DU BIST NICHT ALLEINE!

#ichbinESwert

"DER PAPA HAT MIR IMMER WIEDER AUF DEN POPO GEGRIFFEN."

..., ICH TU MIR UND MEINEM KIND WAS BESSERES.

-    Wie alt waren Sie, als Ihr Leid begonnen hat?

 

Ich war damals elf Jahre alt. An den Wochenenden haben wir meinen Taufpaten mit seinen Jungs besucht und eines Tages hat mein Cousin begonnen, mich unangenehm zu berühren. Bald schon ist es immer mehr geworden und ich habe meiner Mama davon erzählt. Sie hat mir das aber nicht geglaubt. Sie meinte damals, ich erzähle nur Geschichten und ich habe seine sehr große Fantasie. Ich denke, sie wollte es einfach nicht wahrhaben. 

Mein Papa war bei der Kripo tätig und ich traute mich nicht, ihm davon zu erzählen. Er hat nichts davon mitbekommen, bis ich 18 war und von daheim ausgezogen bin. Erst dann hat er alles erfahren.


-    Hat es irgendjemand anderen gegeben, dem Sie sich anvertraut haben? 
 

Ja, ich habe psychologische Hilfe in der Schule erhalten. Die habe ich dann eine Zeitlang auch in Anspruch genommen.

Denn ich habe mir dafür immer die Schuld gegeben. Das war einfach die Nachwirkung, nachdem ich nie gelernt habe, damit umzugehen. Das habe ich nie wirklich aus mir rausbekommen – mir die Schuld dafür zu geben.


-    Die Schuld wofür genau? 
 

Ich habe mich schuldig gefühlt, dass es überhaupt passiert ist. Vielleicht war das einfach mein Karma. 

Ich machte mir so viele Gedanken, dass ich das nicht rechtzeitig gestoppt habe oder irgendwie andere Wege, andere Lösungen, andere Reaktionen gesucht habe.
 

Ich war ja erst 11 und es ist doch schon ein paar Jahre her. In der damaligen Zeit hat man vielleicht noch eher gemeint, das sei normal. Wie gesagt, ich habe mich meiner Mutter anvertraut, doch sie hat es eher verharmlost, schämte sich, wollte es nicht wahrhaben und gab mir das Gefühl: Was weiß schon eine 11-jährige, was normal ist und was nicht?
Ich habe aber schon damals gewusst, dass es nicht normal ist.

Doch meine Mutter hat mir damals nicht geglaubt und in späterer Folge auch nicht an mich geglaubt. Sie war sehr streng und hat mir dann im Laufe der Zeit immer wieder eingebläut: “Du wirst im Leben nie etwas erreichen.”

Sie wiederholte sich immer und immer wieder. Das war wirklich schlimm für mich.

Meinem Vater wollte ich es erst nicht erzählen, weil ich dachte, er ist ein Mann, also auf der "falschen" Seite – nicht mein Verbündeter.

Aber als es so weit war und ich ihm es erzählte, da hat er mir geglaubt. Mein Papa war letztendlich der Einzige, der mich unterstützt, mir geholfen und nach einer Lösung gesucht hat.


-    Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie sieben, schwierigere Jahre der Aufarbeitung hinter sich. 
 

Ich hatte inzwischen auch mit Magersucht zu kämpfen und später hatte ich dann auch noch falsche Freunde. Das ging zum Glück nicht lange so, aber es ist passiert und ich habe dann nach etwa einem Jahr erkannt, dass das nicht der Weg ist, den ich gehen will. Das sind nicht die Freunde, die ich haben will. Wenn ich selbst daran nichts ändere, wird es nur noch schlimmer. Das ist nicht meine Zukunft, die ich mir vorstelle. Ich will sesshaft werden, eine Familie gründen und auf meine Familie achten.

 

Doch so einfach war das nicht, weil ich ja nie wirklich gelernt habe, mit bestimmten Situationen umzugehen. Und somit bin ich auch in weiterer Folge – in meinen nächsten Beziehungen – in ähnliche Situationen geraten.

 

Meine erste Ehe war mit einem Pädophilen. Mein Mann war damals 27 Jahre älter als ich. Wir bekamen eine gemeinsame Tochter, die heute zwölf Jahre alt ist. 
 
Auch mein zweiter Ehemann war pädophil und psychisch krank. Er brachte zwei Kinder in die Ehe mit, die bei uns lebten.

Selbst wenn ich nur einkaufen gehen wollte, musste ich die Kinder mitnehmen. Er sperrte mich zu Hause ein und ich durfte nirgends hingehen – nur zur Arbeit und dann sofort wieder nach Hause.
Mein Mann hatte einen sehr großen Bekanntenkreis, auch in der Politik und am Ende des Tages war ich die Blöde, die Psycho, die Gestörte. Aber ich habe mir gesagt: Nein! Das lasse ich nicht zu.

 

Also ging ich meinen Weg und widmete mich meiner Karriere.


Alles schien gut, bis mir meine eigene Tochter eines Tages erzählte, dass ihr Papa mit ihr ähnliche Sachen macht, so wie es bei mir begann. 

Sie erzählte mir Sachen wie: „Der Papa greift mir auf den Popo“.

 

Zu diesem Zeitpunkt war meine Tochter alle zwei Wochenenden bei ihrem Vater und hat danach immer öfter gesagt: “Ich will nicht mehr zum Papa gehen.” Ich habe sie gefragt, warum denn nicht. Logischerweise, denn es muss sicher einen Grund dafür geben. Sie sagte dann: “Na ja, der Papa war einmal betrunken und ich hatte Angst.” Ich habe dann gefragt: „Wieso hattest du Angst?“ „Er war betrunken, und ich hatte Angst.“  Mehr hat sie nicht gesagt. Mehr wollte sie mir nicht anvertrauen. Später hat sie mir wieder erzählt: "Mama, ich möchte aber jetzt wirklich nicht mehr zu Papa. Jetzt ist genug. Jetzt ist es aus. Ich will dort nicht mehr hin."
 
Kurz danach war Villacher Kirchtag, den sie mit ihrem Papa besuchte. Danach hat sie mir erzählt: „Der Papa hat mir immer wieder auf den Popo gegriffen. Und der Papa hat mir gesagt: Du musst wieder abnehmen, damit du so aussieht wie die Mama, als ich sie kennengelernt hab. Du musst die gleiche Figur haben wie die Mama.“

Es ist nicht okay und passt einfach nicht, dass ein Vater sowas zu seinem Kind sagt.
 
Das geht für mich auf keinen Fall und ich dachte nur: Weg!
 
Zuerst einmal habe ich das alles mit dem Jugendamt besprochen. Ich habe mittlerweile ein Jobangebot in Deutschland bekommen. Das ist ziemlich nahe an der österreichischen Grenze. Das Jugendamt hat mir geraten, dass ich es dem Kindsvater erst erzähle, wenn wir umgezogen sind. Dass wir jetzt eine neue Wohnsituation haben und dass wir jetzt in Deutschland leben. Und wenn er uns besuchen kommen will, dann nur unter meiner Aufsicht. Er wird seine Tochter nie mehr allein sehen, nie mehr. Das lasse ich nicht zu! 
 
Der Ablauf wir so aussehen:

Ich habe es mit dem Jugendamt von St. Veit so vereinbart, dass wir uns in Deutschland selbst beim Jugendamt melden müssen. Dann erzählen wir einfach unsere Geschichte und die deutschen Behörden können dann mit meiner Bewilligung die Daten von hier einfordern. So ist der Verlauf geplant, sodass wir dann auch in weiterer Folge Hilfe bekommen. Für meine Tochter bekomme ich psychologische Hilfe von der Schule aus – wegen dem Wechsel natürlich. Es ist doch eine große Umstellung für sie. Und dann braucht man auch noch eine außenstehende Person, die mit der Schule nichts zu tun hat.


-    Das ist alles gut geplant. Letztendlich muss man auf das Kind schauen. Hätten Sie den Schritt umzuziehen auch ohne Kind gewagt?
 

Ich wäre sogar vielleicht noch weitergegangen. Vielleicht klingt es jetzt so: Ich haue einfach ab! Aber für mich ist das so zu verstehen: Ich haue nicht einfach ab – ich tu mir und meinem Kind was Besseres!
 
Es ist für mich nicht so, dass ich sage: “Okay, jetzt ist eine schwierige Situation gekommen und ich bin jetzt am Weglaufen.“ Es ist wirklich nicht so. 

Ich habe jetzt über längere Zeit meditiert, was mir bei meiner beruflichen Weiterentwicklung geholfen hat, hab mich so ein bisschen umgehört, umgeschaut, habe ein paar Angebote auch hier in Kärnten bekommen. Aber schlussendlich habe ich das beste Angebot in Deutschland bekommen. Also gehe ich dem nach und mal schauen. Sonst wäre ich wohl hiergeblieben.


-    Was würden Sie jetzt anderen raten, wenn sie in der Situation wären, was sie machen könnten?

Auf jeden Fall würde ich mich nicht dafür schämen, Hilfe zu suchen. Sei es psychologische Beratung oder eine Therapie, Jugendamt oder ein Gewaltschutz-Zentrum, wenn es nötig ist auch ein Frauenhaus. Dort eine Zeit lang bleiben und nicht wieder in die alte "Situation" zurückgehen. Auf keinen Fall! Ich habe auch Erfahrung mit einem Frauenhaus. Als mich mein zweiter Mann zusammengeschlagen hat, sind wir (meine Tochter und ich) dann drei Monate lang im Frauenhaus geblieben. Es wurde dann auch eine 5-jährige Auskunfts-Sperre ausgesprochen, damit er nicht herausfindet, wo wir wohnen, wo ich arbeite, wo meine Tochter in die Schule geht.
Denn obwohl er nicht der leibliche Vater ist, war die Situation mit meinem zweiten Mann noch schlimmer. Es hat sich alles akkumuliert. Er hat mir gedroht, obwohl wir getrennt waren und es ja nicht sein Kind ist, dass ich meine Tochter verliere, dass ich meine Arbeit verliere, die ich schließlich auch verloren habe. Ich habe danach aber eine bessere Stelle gefunden. Also bin ich sogar dankbar dafür.

Er hat mir gedroht, dass ich überhaupt meine ganze Existenz verliere und nie mehr in Kärnten Fuß fassen werde, was absolut nicht der Wahrheit entspricht. Jetzt ist es fünf Jahre her und ich stehe mitten im Leben. Es hat die ersten ein, zwei Jahre gedauert, bis ich wieder auf festen Beinen stehen konnte, aber ich bin für diesen Weg sehr dankbar und ich würde wirklich hier jeder und jedem in einer schwierigen Situation raten, sich Hilfe zu suchen.

Denn es gibt immer Hilfe. Ich würde mich vielleicht der besten Freundin anvertrauen oder einer anderen Vertrauensperson und dann zusammen Hilfe suchen. Man muss wissen, dass man nicht allein ist. 


-    Das haben Sie wirklich sehr schön gesagt. Ich glaube, Sie haben ein ganz großes Paket getragen, um dann trotzdem den Mut aufzubringen, zu sagen, ich hol mir Hilfe, egal von wo, egal über wen. Und ich wage den Schritt, mich und mein Kind total zu verändern. Das zeugt von großem Mut. Danke für alles.

Gerne.

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